- Offizieller Beitrag
ZitatAlles anzeigenDas AG München hat entschieden, dass Aufzeichnungen mit Hilfe einer auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe von Fahrzeugen angebrachten Videokamera ("Dashcam"), die während der Fahrt fortwährend aufzeichnet, im Zivilprozess nicht als Beweismittel verwertet werden können.
Beim AG München ist derzeit ein Zivilprozess anhängig. Ein PKW-Fahrer (Kläger), der in einen Unfall verwickelt wurde, möchte im Rahmen des Prozesses seine Unschuld mit Videoaufzeichnungen seiner Car-Cam bzw. Dashcam beweisen. Am 14.01.2014 um ca. 17 Uhr wollte der Kläger mit seinem PKW vom Parkplatz eines Grundstückes in den Frankfurter Ring nach rechts einfahren. Der Frankfurter Ring hat an dieser Stelle zwei Fahrspuren in eine Richtung. Der Kläger behauptet, er habe an der Einmündung sein Fahrzeug bis zum Stillstand abgebremst und sei erst losgefahren, als die rechte Fahrspur frei war. In diesem Augenblick sei der Unfallgegner plötzlich und ohne zu blinken mit seinem Fahrzeug von der linken Fahrspur auf die rechte Fahrspur gewechselt, wo es zur Kollision kam. Der beklagte Unfallgegner behauptet, er sei bereits auf der rechten Fahrspur des Frankfurter Ringes gefahren, als der PKW-Fahrer aus der Grundstücksausfahrt einscherte. Der Kläger habe ihn offensichtlich übersehen. Der Unfall sei für ihn unvermeidbar gewesen. Beide Autofahrer können keine Unfallzeugen benennen. Der Kläger hatte eine Dashcam in seinem PKW installiert, mit der der gesamte Vorfall aufgezeichnet wurde. Mit diesen Aufzeichnungen möchte er beweisen, dass er – entgegen dem Beweis des ersten Anscheins – nicht schuld an dem Unfall war.
Das AG München hat eine Verwertung und Verwendung der Videoaufzeichnungen als Beweismittel abgelehnt.
Die Verwertbarkeit solcher Aufnahmen hänge nach ständiger Rechtsprechung von den schutzwürdigen Interessen der Parteien ab, die gegeneinander abzuwägen seien, so das Amtsgericht in seinem Hinweisbeschluss. Ein Indiz für die Beurteilung sei auch, ob ein Verstoß gegen einfachgesetzliche Bestimmungen vorliege. Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im PKW installierte Autokamera verstoße gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz sowie gegen § 22 Satz 1 Kunsturhebergesetz und verletze den Beklagten in seinem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs.1 GG.
Das Bundesdatenschutzgesetz bezwecke den Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen seines Persönlichkeitsrechts. Danach sei die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit Videoüberwachung nur zulässig, wenn sie für einen konkreten Zweck erforderlich sei und nicht andere schutzwürdige Interessen überwiegen. Der Zweck der Autokamera, die Sicherung von Beweismitteln bei einem möglichen Unfall zu sichern, sei zwar hinreichend konkret, es würden aber die schutzwürdigen Interessen der Gefilmten überwiegen. Die Zulassung solcher Videos als Beweismittel würde zu einer weiten Verbreitung der Ausstattung mit Car-Cams führen. Was mit den Aufzeichnungen geschehe und wem diese zugänglich gemacht würden, wäre völlig unkontrollierbar.
Die Verwendung der Autokamera verstoße auch gegen § 22 Satz 1 Kunsturhebergesetz. Danach dürften Bilder nur mit Einwilligung des Abgebildeten öffentlich gemacht werden. Der permanente Einsatz der Autokamera führe auch zur Erstellung von Fotos von Personen, die außerhalb des KFZ am Straßenrand oder in anderen PKWs oder in sonstiger Weise am Straßenverkehr beteiligt sind. Dies verletze diese Personen in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Durch die unbefugte Erstellung von Aufnahmen werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Dieses Recht könne eingeschränkt werden durch konkurrierende Grundrechte Anderer. Das BVerfG hat in einer Entscheidung festgestellt, dass allein das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege nicht ausreiche, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem Persönlichkeitsrecht zukomme. Vielmehr müssten weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzwürdig ist (BVerfG, Beschl. v. 11.08.2009 - 2 BvR 941/08 - NJW 2009, 3293). Die bloße Möglichkeit, dass eine Beweisführung notwendig werden könnte, genügt nach Auffassung des AG München nicht diesen Anforderungen, da im Straßenverkehr generell die Gefahr bestehe, in einen Unfall verwickelt zu werden.
Quelle: Juris.de